Volle Fussballstadien, tolle Atmosphären, das Ausleben von Emotionen und das Bewundern von Ausnahmekönnern: All dies geht dem Fussballfan schweren Herzens ab.
Um Hans-Joachim Watzke, den Geschäftsführer des Bundesligisten Borussia Dortmund, zu zitieren, der kürzlich in einem Interview mit dem „kicker“ die aktuelle Lage treffend auf den Punkt brachte: „Mittlerweile deprimiert mich die Atmosphäre von Monat zu Monat mehr. Es fehlt so viel von dem, was dich als Fussballfan ja auch ein Stück weit süchtig macht. Jetzt sitzt du in dieser sterilen Atmosphäre. Mit Abstand, mit Masken. Grauenvoll.“
Aufgrund der Corona-Pandemie ist es den Fans in den Grossteilen der Ligen schon seit der raschen Ausbreitung des Virus im Frühjahr 2020 nicht mehr, oder wenn nur mit massiven Einschränkungen, erlaubt, in die Arenen zu strömen. Damit einhergehend ist freilich auch der Ticket-Markt eingebrochen. „Allein jedes Heimspiel ohne Fans auf den Rängen bedeutet einen Umsatzverlust von rund zwei Millionen Euro“, sagte VfB Stuttgarts Vorstandschef Thomas Hitzlsperger erst im November 2020 in einer Videobotschaft an die Mitglieder des Vereins. Doch nicht nur sind Vereine aus finanzieller Sicht auf den Erwerb von Tickets durch die Fans angewiesen, sind es auch die Zuschauer, die den Fussball erst zu dem gemacht haben, was er in der heutigen Form ist.
Wurden diverse Spielbetriebe vergangenes Jahr zeitweise sogar unterbrochen, in der Folge aber unter Ausschluss der Zuschauer – in dieser Form meist auch noch bis heute ausgetragen, sah sich der europäische Fussballverband UEFA gar gezwungen, mit der Europameisterschaft ein Mega-Event zu verschieben. Um ein ganzes Jahr wurde der geschichtsträchtige Wettbewerb nach hinten verlegt. In der Hoffnung, dass bis Sommer 2021 alles besser werden soll. Tickets erwarben Schaulustige nämlich bereits vor dem Ausbruch der Krise. Und so hätte nicht nur die UEFA mit der Stornierung dieser Eintrittskarten einen mächtigen Verlust verzeichnet, wäre zudem die Europameisterschaft nicht das Spektakel geworden, für das es renommiert ist.
Spielen vor leeren Rängen – für Vereine „ist das natürlich eine Belastung“
Das Infektionsgeschehen ist jedoch nach wie vor dynamisch und so lassen sich auch gar keine seriösen Prognosen von Nicht-Experten abgeben, wann der emotionsgeladene Fussball in der geschätzten Form, die ja gar nicht so lange zurückliegt, wieder da sein wird. Massnahmen, um das Erlebnis wieder zu dem zu machen, was es war und sein soll, scheint es zur Genüge zu geben.
Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss des FC Bayern München, setzte sich schon häufiger für die Rückkehr der Fans ein, erklärte einst bei „Sky“: „Wir haben zwei Probleme. Zum einen stelle ich fest, dass die Fussballkultur ohne Zuschauer wahnsinnig leidet. Man darf nicht vergessen, wir haben ein Spitzenspiel in der Champions-League gegen Atlético Madrid und gar kein Zuschauer ist vor Ort. Damit fehlt natürlich jegliche Atmosphäre und auch Emotion im Stadion.“
Weiter führte der Funktionär des deutschen Spitzenteams aus, beim Supercup-Sieg der Bayern gegen den FC Sevilla in der ungarischen Hauptstadt Budapest ein Konzept erkannt zu haben, das über die Landesgrenzen hinaus denkbar wäre: „Wir haben in Budapest einen Fieber-Mess-Tunnel vorgefunden und den werden wir dem Gesundheitsamt auch hier in München anbieten, damit auch wir mal wieder mit Zuschauern spielen dürfen. Wir haben acht Monate ohne jeglichen Zuschauer spielen müssen und das ist natürlich eine Belastung.“
Doch auf den Vorschlag Rummenigges ging die Stadt München nicht ein, ebenso wurde ein entsprechender „Fieber-Mess-Tunnel“ auch nicht in anderen Ländern respektive Ligen populär. Die englische Premier League wagte sich zwischenzeitlich an eine Rückkehr der Zuschauer und an eine ausgewählte Vergabe von Tickets. „Die Fans sollen sich freuen, aber trotzdem den Abstand zu Personen außerhalb ihrer sozialen Blase einhalten“, lautete es Anfang Dezember herum in einem Statement: „Das Umarmen von anderen Fans sollte vermieden werden.
Die Besucher werden gebeten, anderen Zuschauern respektvoll zu begegnen. Das beinhaltet auch das Vermeiden von exzessivem singen und schreien.“ So waren beispielsweise beim Spiel in der Europa League zwischen dem FC Arsenal und dem österreichischen Vertreter Rapid Wien in London 2’000 Fans zugelassen. Welche Stadion-Kapazitäten wie ausgelastet werden durften, entschied das Infektionsgeschehen des jeweiligen Standorts. Entsprechend wurde hierfür nach Risikofaktor eingestuft. Doch auch das ist wieder verworfen, gab das Infektionsgeschehen der Regierung keine andere Möglichkeit, dies wieder zu verbieten, da keine sinnvolle Alternative zur Risikominimierung vorhanden scheint.
Dank Impfung zurück zur Normalität?
Mit Rückgang der Coronafall-Zahlen wird jedoch auch eine Rückkehr der Zuschauer in die Stadien wieder wahrscheinlicher und somit kann auch die Ticket-Branche darauf hoffen, neben den finanziellen Aspekten für Kundenzufriedenheit zu sorgen. Wäre es nicht zuletzt auch für alle Parteien eine Win-Win-Situation. Ein Grund, der Optimismus schöpfen lässt, ist der Impfstoff. Werden zuerst Risikogruppen geimpft, sind zunehmend auch jüngere Altersgruppen dran, sofern diese dies erwünschen. Ob diese Gruppen in der Gesellschaft bevorzugt werden – beispielsweise was das Reisen oder die Teilnahme an Grossveranstaltungen betrifft? Es lässt sich nur schwer sagen, zumal vermieden werden soll, dass eine indirekte Impfpflicht eingeführt wird. Und doch ist mit Vorsicht zu erwarten, dass mit zunehmender Zeit eine gewisse Normalität, auch in die Fussballarenen, zurückkehrt.
Um noch einmal auf den Fan-nahen Watzke zurück zu kommen: „Als wir zwischendurch gegen Gladbach und Freiburg jeweils um die 10 000 Zuschauer im Stadion hatten, hatte ich vor Freude Tränen in den Augen – und viele andere auch.“ Der 61-Jährige betonte in diesem Zuge weiter: „Man hat nicht das Gefühl, dass das Spiel an sich schlechter geworden ist. Und die TV-Quoten zeigen mehr und mehr, dass der Fussball den Menschen in dieser schwierigen Zeit zumindest ein wenig Ablenkung und Freude schenken kann.“
Und so darf sich nur vorgestellt werden, wie es sein mag, vielleicht ja schon bald, wenn Reisen ohne große Einschränkungen möglich sind, Tickets zu vergeben und Spiele an eigens ausgewählten Standorten wieder live zu verfolgen sind. Einem jeden Fussballfan dürfte dabei warm ums Herz werden. Zuversicht drückte auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin im Hinblick auf die Europameisterschaft aus.
In einem Interview mit dem „Telegraph“ teilte der Slowene seine Ansichten mit und schilderte: „Der Fussball hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg oder dem Ersten Weltkrieg nicht geändert, und er wird sich auch aufgrund eines Virus nicht ändern.“ Er sei sich „absolut sicher, dass der gute alte Fussball mit Fans sehr bald wiederkommen wird.“ Und wer weiß, was in nicht allzu langer Entfernung vor uns liegen mag, es möge nur das Beste gehofft werden: Der Fussball braucht die Fans – und die Fans brauchen den Fussball.